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Hallo, herzlich willkommen in meiner Freak-Show. Für wen oder wieso ich diese Zeilen
schreibe, weiß ich nicht. Jedenfalls will ich es vor mir und der Welt nicht zugeben;
also, ich weiß es nicht. Kann man denn nicht einfach so schreiben? Muss denn stets
eine Absicht dahinter stecken? Nein! ... Nicht einmal zu mir selbst kann ich ehrlich sein. Ich glaube, dass ist ein Zeichen für meine tiefgründige Bosheit. Ja, ich bin böse. Ein Wolf im Schafspelz. Ein böser Mensch, der andere täuscht, vor allem enttäuscht. Ein Mensch, der sich Verantwortung aufbürdet, ohne zu kalkulieren, dass er so anderer Menschen Lebensträume mit leeren Versprechungen nur zerstört. Vor allem aber ein Mensch, der den Ruin und Verfall seiner Luftschlösser mit preußischem Fleiß und preußischer Akribie selbst betreibt. Und vor allem ein Mensch, dessen Sucht nach Aufmerksamkeit und Mitleid psychotische Züge aufweist. Und so weiter. Nun, das Schlimme ist, dass dieser Mensch - ich - von all dem weiß und es trotzdem nicht ändert. Er versucht es zwar (und belügt sich dabei wieder selbst), nur fehlt ihm der richtige Antrieb, seinen Versuchen auch Taten folgen zu lassen: Taten. Wieso? Diese Frage erübrigt sich doch!: Er würde sowieso nur lügen. Manchmal denkt er - in seiner Sucht nach Aufmerksamkeit und Mitleid - darüber nach, wie es wäre tot zu sein. Übrigens, die Drogen Aufmerksamkeit und Mitleid, sind für ihn eine verbale, zu großen Teilen aber auch eine mentale Form der Zärtlichkeit. Und welcher Mensch sehnt sich nicht nach Zärtlichkeit? Grade deswegen, stellt er sich vor, wie es wäre tot zu sein. Nicht dass er tot sein will. Nein, das wäre ihm nicht sehr lieb. Man möge nämlich nicht vergessen, es handelt sich um einen bösen Menschen. Aber nicht aus Bosheit, gewissermaßen um sein böses Treiben weiter auszuüben, wäre ihm der Tod nicht lieb, vielmehr offenbart der Tod doch die letzten Geheimnisse eines Menschen, schwemmt die Leichen aus dem Keller hervor. Und wer will das schon, bevor er sich nicht ganz sicher ist, diese gut genug verscharrt zu haben? Es sind eher die Standard-Gedanken, die ihn beschäftigen: Wie wird meine Beerdigung sein? Wer wird kommen? Sollen überhaupt alle kommen? Nein, alle sollen nicht kommen. Niemand soll kommen. Wozu auch einem verschiedenen Körper, dem Zerfall ausgesetzt, die letzte Ehre erweisen? Nein. Das soll nicht sein. Was bring das? Ob man am Wegesrand verscharrt oder pompös begraben wird, es ist nichtig. Aber tief im Innern wünscht sich der Mensch doch, dass sie alle kommen, um an seinem Grab zu weinen. Und deshalb ist er böse, böse, böse. Diese Gedankenfolge ist typisch. Das Bedürfnis nach Zärtlichkeit soll schließlich durch solche Gedanken befriedigt werden. Tatsächlich weckt es doch noch mal so viele! Dieser Mensch betreibt - denn er weiß von den Folgen dieser Gedanken - geistige Onanie. Und wieder wird festgestellt: BÖSE. Ein Mensch ist dieser Widerling. Ein Mensch und vermutlich grade deswegen ein Widerling. Ein Mensch, der sich an die schönen, lieben, die Seele streichelnden Worte eines anderen klammert, sie aussaugt, nur um ein wenig zu leben. Doch er begeht immer wieder diesen einen Fehler. Dieser Fehler scheint ein feststehendes Verhaltensmuster bei ihm zu sein. Denn genauso, wie er seine Boshaftigkeit vor sich selbst verheimlicht, es zumindest versucht, genauso glaubt er diesen lieben, eigentlich viel zu schönen Worten immer wieder. Ein notorischer Lügner? Ja, bedingt. Vor sich selber unbedingt. Sein Fehler: er denkt nicht nach, berechnet die Kosten, die Folgen nicht - für sich nicht, für die anderen nicht. Er ähnelt einem kleinen Kind, welches den Weihnachtsmann längst enttarnt hat, es aber nicht zu sagen traut. Worüber denkt er nicht nach?: Über die Worte: Entstehen sie im Herzen des anderen? Entspringen sie seiner Ratio? Sind sie die Frühgeburt einer schönen Situation und müssen gesagt werden, weil es das Drehbuch so will? Letztlich sind solche Worte "nur" eine gemeine Frühgeburt, trotzdem sie von Herzen kommen. Denn Herz und Ratio schließen sich in diesem Falle nicht aus. In der Tat, es gibt hier eine Ausnahme von der Regel. Die Ratio gibt dem Herzen vor, was es sagen soll und lässt es lügen. Wieso? Man sollte zunächst den Eindruck haben, solch schönes Wort entwickelt sich zur Frühgeburt. Und dieser Eindruck ist doch das Malheur. Denn der Sagende lügt sich selbst an, genauso wie den Hörenden. Er gibt es nur nicht zu. Er kann es auch nicht zugeben, denn er weiß noch nicht von seiner verkappten Lüge. Er merkt es erst später, wenn die Worte eventuell nach Taten dürsten; die Lüge dabei enttarnt er nicht - jedenfalls nicht zu diesem Zeitpunkt. Die Lüge enttarnt auch nicht der Hörende, er spürt sie allenfalls. Ist dieser Punkt zwischen Sagendem und Hörendem eingetreten, dann sprechen beide meist von einer Entwicklung. Doch wie kann sich etwas entwickeln, wenn es im Grunde feststand? Es ist ein Kreuz mit dem Herzen. Denn es ist verräterisch und trügerisch und niemand will es wahr haben. Was aber hat das mit der Boshaftigkeit des Menschen zu tun? Nun, auch hier lügt er wieder. Er ist sich der Tücken des Herzens doch wohl bewusst und wendet sein Wissen dennoch nicht an. Er ist also nicht nur böse zu anderen. Er ist - und das ist wahrscheinlich nur gerecht so - auch böse zu sich selbst. Wenn man so will: Richter und Henker in einer Person. Und er weiß davon und wird es nicht ändern. Böse. Böse und bemitleidenswert. Bitte. copyright © 2003 by A.K.Themistokles, all rights reserved |
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